Zwischen Angst und Leben

Mein Name ist Anna, ich bin 34 Jahre alt und komme aus Berlin. Wenn ich heute auf mein Leben blicke, sehe ich zwei große Kapitel: das Leben davor – und das Leben danach. Dazwischen liegt ein Wendepunkt, den ich mir niemals gewünscht hätte, der mich aber auf eine Art verändert hat, wie ich es nie für möglich gehalten hätte.
Vor drei Jahren bekam ich die Diagnose Brustkrebs. Ich war gerade beruflich richtig angekommen, hatte eine kleine Wohnung in Kreuzberg, war oft mit Freunden unterwegs, mein Leben war voll – voller Pläne, voller Lachen, voller Tempo. Und dann, plötzlich, dieser Moment. Ein Arztzimmer. Eine ernste Stimme. Und ein Wort, das mir den Boden unter den Füßen weggezogen hat.
Ich will ehrlich sein: Ich hatte Angst. Nicht die „Ich-schaff-das-schon“-Art von Angst, sondern diese tiefe, lähmende Furcht, die dich nachts wach hält und dir den Atem raubt. Es gab Tage, da konnte ich nicht mal den Spiegel anschauen, weil ich mich selbst nicht mehr erkannte – körperlich und seelisch.
Aber irgendwo tief in mir war da auch etwas anderes. Etwas, das sich nicht abschalten ließ. Eine Stimme, die sagte: "Du gibst nicht auf. Nicht jetzt. Nicht so." Ich weiß nicht, ob es Trotz war oder Hoffnung, aber ich klammerte mich daran. Ich begann, meinen Körper nicht als Feind zu sehen, sondern als Partner, mit dem ich gemeinsam kämpfen musste.
Chemo, Operation, Reha – ein Schritt nach dem anderen. Ich habe gelernt, was es heißt, wirklich zu kämpfen. Nicht nur körperlich, sondern vor allem mental. Ich habe mir erlaubt, schwach zu sein. Ich habe geweint. Viel. Aber ich habe auch gelacht – manchmal über die absurdesten Dinge, weil Humor mir geholfen hat, den Schmerz auszuhalten.
Während der langen Monate wurde mir eines immer klarer: Ich wollte mein Leben nicht einfach „zurück“. Ich wollte ein neues Leben. Eins, das ich bewusster, liebevoller, echter lebe. Heute bin ich gesund. Die Ärzte sagen „krebsfrei“. Ich sage: Ich bin lebendig. Ich habe angefangen, als ehrenamtliche Begleiterin in einer Krebsberatungsstelle zu arbeiten. Ich höre zu, ich teile, ich unterstütze. Denn wenn ich eines gelernt habe, dann, dass geteilte Stärke doppelte Kraft bedeutet.
Ich bin heute nicht mehr dieselbe Anna wie früher – und das ist gut so. Ich bin vielleicht weicher geworden, aber auch fester in meinen Überzeugungen. Ich weiß jetzt, wie wertvoll ein einziger Tag sein kann. Ich weiß, wie stark ein Mensch werden kann, wenn er keine andere Wahl hat. Und ich weiß, dass das Leben immer noch schön ist – manchmal gerade wegen seiner Brüche.
Wenn du das hier liest und gerade selbst kämpfst – egal womit: Halt durch. Du bist stärker, als du denkst. Und irgendwann wirst du zurückblicken und sagen: Ich hab’s geschafft. So wie ich.